Ungewöhnlich

Vor ein paar Tagen führte es mich wieder einmal an diverse Wasserflächen des unteren Murtals, wo ich mich von der eindrucksvollen Winterflucht, die in der Vogelwelt durch die ergiebigen Schneefälle hervorgerufen wurde, überzeugen konnte.
In der tief verschneiten Landschaft und an den teilweise gefrorenen Gewässern konnte ich viele Wintergäste wie Merlin und Raubwürger, zahlreiche Möwen, sowie riesige Tauchenten- und Blässhuhntrupps (darunter drei Moorenten in Lebring) beobachten. In Gralla, wo weiterhin der Hybrid Moor- x Tafelente anwesend ist, überraschten mich drei Brandgänse, die im Flachwasser unter Höckerschwänen und vier Gänsesägern nach Nahrung suchten. Auch das „intersexuelle“ Stockenten-Weibchen, das ich seit 2006 fotografiere, ist wieder da (siehe Foto bzw. vgl. mit ‚Vogel 2‘ in diesem Eintrag).

Ein mir bislang vollkommen unbekanntes Verhalten zeigte ein Gänsesäger-Männchen, nachdem der „Geflügelzoo“ um die Beobachtungshütte von Besuchern mit Brot gefüttert worden war. Es löste sich von der Gruppe, die weit draußen am See schwamm und steuerte zielstrebig die zahme Enten- und Blässhühner-Masse an, wo noch Gerangel um die letzten Brotstücke herrschte. Der Gänsesäger nahm prompt, so wie die anwesenden Lach- und Sturmmöwen es fliegend taten, schwimmend die Verfolgung von Wasservögeln in Brot-Besitz auf. Das ungewöhnliche Interesse des reinen Fischfressers an ihrem trockenen Brot brachte Stockenten und Blässhühner so in Verlegenheit, dass sie einer nach dem anderen, fliegend das Weite suchten. Ich konnte kein einziges Mal beobachten, dass der Säger auch tatsächlich Brot erbeutete und es fraß – solange aber andere Vögel damit im Schnabel unterwegs waren, verfolgte er diese bis sie abflogen.

Es ist bekannt, dass sich Gänsesäger gegenseitig erbeutete Fische abjagen, im Handbuch der Vögel Mitteleuropas wird sogar eine Beobachtung zitiert, in der ein überfliegender Gänsesäger sich auf das Wasser stürzte um einer Sturmmöwe eine tote Felche abzujagen. Auch, dass sich Gänsesäger unter harten Wetterbedingungen mit Brot füttern lassen, wurde gelegentlich beschrieben. Eine Mitteilung in der aktuellen Ausgabe von „British Birds“ (Vol. 102: 279) führte zum Bekanntwerden mehrerer derartiger Beobachtungen aus Deutschland, der Schweiz und Großbritannien. Teilweise wurden Gänsesäger an Futterstellen so zutraulich, dass sie von Hand gefangen und beringt werden konnten.