Erstmals 2002 fiel mir in Graz eine Stockente auf, die Ähnlichkeiten mit einem mausernden Erpel hatte, sich aber bei genauerem Hinsehen doch klar unterschied. Anfänglich stufte ich den Vogel als Hybriden (z. B. Schnatter- x Stockente) ein. Nach Recherche wurden aber die deutlich weiblichen Merkmale, insbesondere der typisch weiblich gefärbte, orange-schwarze Schnabel und intermediäre Gefiedermerkmale auffälliger und ich verwarf die Idee des Hybriden und sprach den Vogel vorsichtig als eine Art „Zwitter“ an.
Seither entdeckte ich zumindest vier verschiedene solcher, ähnlicher Vögel an vier Stellen im Umkreis von 30 km. Die einzelnen Individuen können auch in verschiedenen Mauserstadien gut anhand der unterschiedlichen Schnabelmuster unterschieden werden.
Durch Literaturstudium wurde ich auf die Möglichkeit „intersexueller“ Stockenten aufmerksam. Bisher wurde scheinbar erst ein solcher Vogel näher untersucht. Im dort beschriebenen Fall entwickelte ein vorerst „normales“ Stockenten-Weibchen einer in Gefangenschaft aufgezogenen Brut zunehmend männliche Gefiedermerkmale. Nach dem Tod des Vogels zeigte die Sektion des Tiers einen Tumorbefall am linken Eierstock und an Teilen des Eileiters. Die zunehmende, rein äußerliche „Geschlechtsveränderung“ ist also wohl auf eine hormonelle Störung zurückzuführen. Der beschriebene Vogel wurde über 14 Jahre lang beobachtet und zeigte schlussendlich sogar eine männliche Schnabelfärbung.
(Post J.N.J. & E.J.O. Kompanje: Uitwendige geslachtsverandering bij vrouwtje Wilde Eend. Dutch Birding 14 (4): 131-134, 1992)
Solche Vögel tauchen (zunehmend?) regelmäßig in Mitteleuropa und schlussendlich in Internetforen auf und führen immer wieder zu Verwirrung, da dieser Typus in der gängigen Bestimmungsliteratur nicht beschrieben wird. In der unteren Galerie sind Fotos von zumindest vier südsteirischen „intersexuellen“ Stockenten aus vier Jahren zu sehen (Zeitraum 2005-2009). Eine zunehmende Entwicklung männlicher Merkmale konnte ich nur beim am längsten beobachteten Vogel 2 (2006-2009) in Gralla feststellen. Die Veränderungen beschränken sich aber, wohl wegen des vergleichsweise kurzen Beobachtungszeitraums, auf die zunehmende Grünfärbung des Kopfes (vgl. Vogel 2, 26.10.2006 und 1.11.2009). Da der zeitliche Mauserverlauf der Stockenten individuell unterschiedlich sein kann, kann ein Einfluss der Postnuptialmauser auf dieses unterschiedliche Erscheinungsbild leider nicht ganz ausgeschlossen werden.
Eine schöne Foto-Sammlung solcher Stockenten zeigt auch H.J. Lehto auf seiner Website.