Von 24.-27. Juli 2010 hatte ich die seltene Gelegenheit, mit Ulrich Knief und Matthias Haupt die, zur Brutzeit eigentlich gesperrte, Seeschwalben-Hallig Norderoog zu besuchen.
Ziele des Aufenthalts waren in erster Linie die Beringung von Jungvögeln und Ablesung von Ringen in der aktuell einzigen Brandseeschwalben-Kolonie Schleswig-Holsteins.
Die Hallig Norderoog, die zweitkleinste der Halligen, liegt wenige Kilometer südwestlich der Hallig Hooge, von wo aus man sie in etwa einer Stunde durchs Watt erreichen kann. Wattwanderungen nach Norderoog sind allerdings nur in einem bestimmten Zeitfenster, nach der Brutzeit und unter Begleitung eines Wattführers erlaubt.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts stand eine bewohnte Warft auf Norderoog, die aber im Zuge der stetigen Flächenabnahme (von 23 ha Fläche 1873 sind heute noch etwa 10 ha übrig) und nach mehreren zerstörerischen Sturmfluten aufgegeben wurde. Von da an existierte nur mehr ein sturmflutsicherer Pfahlbau, an der Stelle wo auch heute noch die Vogelwärterhütten stehen.
1909 kaufte der Verein Jordsand die Hallig Norderoog und betreut sie bis heute. In diesem Jahr nahm auch der Vogelwart Jens Sörensen Wand seine Arbeit auf, um dessen Person sich ein kleiner Mythos entwickelt hat. Wand lebte, mit Unterbrechungen, fast 40 Jahre während der Sommermonate auf Norderoog und verdiente sich so den Titel „Vogelkönig“. 1950 verunglückte er 75-jährig im Watt zwischen Hooge und Norderoog.
Bekannt ist Norderoog seit jeher für seine große Brandseeschwalbenkolonie. Sie umfasst 2010 etwa 1800 Brutpaare (Höchststand 5.500 BP, 1915; Naumann schrieb 1819 wohlgemerkt von 250.000 Paaren). Die nächsthäufigsten Brutvögel sind Lachmöwe, Austernfischer, Küsten- und Flussseeschwalbe.
Ulrich Knief, ehemaliger Zivildiener auf Norderoog, beschäftigt sich seit 2007 intensiv mit der Brandseeschwalbenkolonie und beringte bis heute über 1400 Jungvögel. Es existieren bereits einige Wiederfunde von auf Norderoog beringten Vögeln von den Küsten von Nord- und Ostsee, Atlantik und Mittelmeer, sowie aus Nord- und Westafrika (siehe Karte). Auf Norderoog wurden bisher weit über 100 beringte Brandseeschwalben aus vielen Küstenstaaten Europas bzw. aus Südafrika abgelesen.
Unter den abgelesenen Ringen dieser Tage fanden sich Vögel aus vielen europäischen Ländern, sowie eine Hand voll Ringe aus Südafrika. Dort ist es scheinbar üblich, bereits beringte Vögel mit einem weiteren, südafrikanischen Ring auszustatten. So rückten immer wieder Brandseeschwalben mit je einem Stahlring an beiden Beinen ins Bild. Die schönste Ablesung war wohl die eines dieser doppelt beringten Vögel, den Uli 2007 in der Brutkolonie auf Norderoog beringte. Irgendwann im Lauf der letzten Jahre wurde auch dieser Vogel in Südafrika wiedergefangen und erneut beringt. So gelang der erste Nachweis eines „Heimkehrers“ inklusive Fernfund aus dem Winterquartier, noch bevor die Meldung aus Südafrika in Deutschland eintraf.
Die Tage auf Norderoog waren ein ornithologischer Hochgenuss. Die anstrengenderen Facetten, ein unbeschreiblicher Lärmpegel, praktisch rund um die Uhr und bei Windstille beißender Gestank aus der Kolonie rund um die Hütten, wurden von wunderbaren Erlebnissen bei Weitem wettgemacht. Die Seeschwalben, die sich ohne Fluchtdistanz am Balkongeländer aufreihten wie Haustauben und dicht an dicht rund um die Hütten am Boden brüten, werde ich nicht mehr vergessen. Die Wanderung auf den benachbarten Norderoogsand mit seinen Wanderfalken und die Beringung dreier Mantelmöwen“küken“ werden mir ebenfalls in Erinnerung bleiben.
Vielen Dank an Ulrich Knief und Matthias Haupt für die gute Gesellschaft und an die Vogelwarte Klaus und Mia für die Gastfreundschaft!
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Quellen:
Knief, J.U. (2009): Norderoog und seine Brandseeschwalben (Sterna sandvicensis). In Seevögel – Zeitschrift des Verein Jordsand zum Schutze der Seevögel und der Natur e.V., Band 30/3
Schneider, U. (2007): Die Hallig Norderoog. In Seevögel – Zeitschrift des Verein Jordsand zum Schutze der Seevögel und der Natur e.V., Band 28
Schulz, H. (1946): Beschreibung der Hallig Hooge und der benachbarten Vogelinsel Norderoog. Verlag Anton Lettenbauer, Hamburg