Der Blick aus dem Fenster

Das Studium fesselt mich zur Zeit an Bücher und Skripten und ich muss mich zwingen, meine Zeit unter einem Dach zu verbringen. Bei der vollen Konzentration auf den Lernstoff macht mir aber das Futterhaus vor dem Fenster einen Strich durch die Rechnung. Die Artenzahl ist zwar beschränkt, aber besonders ein 20-25-köpfiger Trupp Kohlmeisen, der seit Wochen das Futter besucht, lässt interessante Beobachtungen aus nächster Nähe zu. Unter ihnen befindet sich zum Beispiel ein auffälliges Männchen, das auf der linken Kopfseite Geschwüre an der Schnabelbasis und über dem Auge hat. Interessant ist auch der verschiedene Grad an Gelbfärbung, den die Meisen aufweisen. Diesen Sommer ist dazu eine gute Arbeit erschienen. Die Gelbfärbung der Kohlmeisen ist vom Karotinoid-Anteil in der Nahrung abhängig, während der Gefiederglanz (Ursache nicht ganz geklärt) etwas mit der Gelegegröße/Geschwisterzahl zu tun hat (Jacot et al. 2010).
Bei den Kohlmeisen am Fenster sind zumindest zwei Individuen dabei, die so blassgelb gefärbt sind, dass sie den Eindruck von östlichen Unterarten (cf. cinereus, minor, bokharensis) erwecken könnten, besonders bei so trübem Wetter, wie es jetzt wieder länger vorherrschte.
Und noch eine interessante Beobachtung habe ich aus dem Lernfenster gemacht: Ein „Stadtsperber“, ein älteres Weibchen, besuchte kürzlich erstmals die Futterstelle und setzte sich in die Bäume über dem Radweg, der direkt darunter vorbeiführt. Die Meisen machten sich alle aus dem Staub und nach rund 10 Minuten schlug der Sperber auf der Terrasse der Nachbarn – mitten in der Innenstadt. Die  Vertrautheit gegenüber dem Menschen war erstaunlich. Ich konnte problemlos das Fenster öffnen um zu fotografieren und unter dem Sperber gingen immer wieder Leute vorbei – natürlich ohne den regungslos lauernden Vogel zu bemerken.

Literatur: Jacot, A., Romero-Diaz, C., Tschirren, B., Richner, H., Fitze, P.S. (2010): Dissecting carotenoid from structural components of carotenoid-based coloration: a field experiment with great tits (Parus major). The American naturalist 176:55–62

Ein Kommentar

  1. Lieber Leander!

    Vielen Dank für die schönen Fotos und die interessanten Berichte! Das mit den Kohlmeisen ist mir auch schon aufgefallen, dass nicht alle so schön gelb sind, ich habe mich schon gewundert und dachte schon, dass das vielleicht eine andere Art sei.
    Das mit dem Sperber finde ich toll. Ich habe zwar in einer Vorlesung gehört, dass sie manchmal ans Futterhaus kommen und hoffen, Meisen zu erbeuten, aber bis jetzt habe ich Greifvögel nur im Flug und einmal einen auch von meinem Lernfenster aber weiter weg gesehen.
    Aber ich habe von meinem Zimmer auch schon ein paar andere interessante Vögel gesehen: einen Buntspecht, eine Schwanzmeise, einen Grünspecht und ansonsten „das Ãœbliche“: Meisen, Saatkrähen und Amseln.

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